Titel: Zur Geschichte der Wissenschaft  •  im Verlag von Thomas Dittert

offenes Buch

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 Über die Bedeutung von KEPLERS Entdeckung

Die Kegelschnitte spielen eine entscheidende Rolle in der Geschichte der projektiven Geometrie. Der Brouillon project d'une atteinte aux événemens des rencontres d'un cône avec une plan von GIRARD DESARGUES aus dem Jahr 1639 gilt als Grundstein dieses Gebietes. DESARGUES betrachtet die Kegelschnitte projektiv und stellt damit die Lehre von Hyperbel, Parabel, Ellipse und Kreis auf eine neue Grundlage.

Die projektive Betrachtung der Kegelschnitte führte DESARGUES zu Punkten im Unendlichen. Diese unendlich fernen Punkte tauchen dort aber keineswegs zum ersten Mal auf! Sie finden sich schon in der kleinen Abhandlung über die Kegelschnitte, die JOHANNES KEPLER am Anfang jenes Jahrhunderts verfasst hatte. Das war die Zeit von KEPLERS Aufenthalt in Prag, als er zu den Planetengesetzen der Astronomia nova vordrang. Von der Mathematik des astronomischen Werkes unterscheidet sich seine Erörterung der Kegelschnitte deutlich, denn hier, in einem geometrischen Exkurs seiner Optik, nahm KEPLER eine rein qualitative Untersuchung vor, ausgehend von der freien Betrachtung der Kurven.

Diese Methode führte ihn zu bemerkenswerten Entdeckungen. Vor allem KEPLERS Hinweise auf die Bedeutung von Analogien als Wegweiser mathematischer Forschung wurden berühmt: »Analogia monstravit et Geometria comprobat«: »die Analogie hat es gezeigt und die Geometrie liefert die Bestätigung«, erläutert er sein Vorgehen. Seine Analogien stützen sich auf den Übergang von einem Kegelschnitt zum anderen, wie ERNST MACH feststellt: »Mit diesen klassischen Worten betont KEPLER nicht nur den Wert der Analogie, sondern mit Recht auch das Prinzip der Kontinuität, welches ihn allein zu dem Grade der Abstraktion leiten konnte, der die Erfassung so tiefliegender Analogien ermöglichte.

Ein Jahrzehnt später kam KEPLER noch einmal auf die Kegelschnitte zurück. In der Messekunst Archimedis beschreibt er sie diesmal in seiner Muttersprache. Den Duden oder feste grammatikalische Regeln gab es damals noch nicht: Man schrieb so, wie man sprach. Und KEPLER sprach ein lebendiges, kerniges Deutsch! In diesem Text tauchen einige mathematische Begriffe zum ersten Mal in deutscher Sprache auf. Insbesondere der Begriff "Kegelschnitt" wurde von KEPLER ins Deutsche eingeführt.

Diese beiden Abhandlungen sind hier zusammengestellt, der Neuübersetzung des ersten Textes ist das lateinische Original gegenübergestellt. Die Einleitung befasst sich mit der Bedeutung der Geometrie für KEPLERS Werk.

 

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